Auf dieser Seite möchten wir an Peter Anton Kastner erinnern, der das erste Dortmunder Marionetten-Theater gründete und leitete. Leider, und völlig zu unrecht,
in Vergessenheit geraten, haben wir hier einige
Informationen und Bilder ins Netz gestellt, um Ihnen ein Bild vom ersten Dortmunder Marionetten-Theater zu geben.
Der Wahldortmunder Peter Anton Kastner, ursprünglich ein gelernter Handpuppenspieler, gehörte zu den wichtigsten Protagonisten der künstlerischen Form
des Marionettenspiels in Deutschland.
Bereits Ende der Weimarer Zeit wurde ihm durch die Ausstellung eines Kunstscheins von Seiten des Regierungspräsidenten zu Münster bescheinigt,
dass seine Darbietungen ein höheres Kunstinteresse obwaltet. Peter Anton Kastener wurde am 11. April 1899 in Bad Tölz geboren.
Seine Familie zog 1907 nach Bad Aibling, wo Kastner nach Beendigung der Schule eine Lehre als technischer Zeichner in einem Marmorwerk absolvierte.
Nach dem 1. Weltkrieg, dessen letzte Jahre er noch als junger Soldat miterlebte, arbeitete Kastner zunächst in seinem erlernten Beruf und fand 1920
einen Arbeitsplatz in Dortmund, wo er Kontakte zur Jugendbewegung unterhielt.
Fünf Jahre danach war er, wie so viele in jener Zeit, arbeitslos und versuchte als Puppenspieler ein Brot zu verdienen.
1926 wurde er berufsmäßiger Handpuppenspieler und brachte zunächst mit Puppen von Bildhauer Hartje die Stücke Doktor Faust, Gevatter Tod, Poccis
Kasperl wird reich und andere Kasperlstücke als Alleinspieler. Einen Holzrahmen über einer Schulter, in der anderen hand einen Koffer mit Bespannungstuch
für den Rahmen, Puppen und Requisiten, so reiste Kastner im Sommer in die Seebäder und besuchte dort Kinderheime,
im Winter dann in Dortmund Schulen und Vereine zu besonderen Festlichkeiten. Alle Rollen sprach er selbst: Kasper, Gretel, Teufel, Räuber, Zauberer u.s.w.
1933 begann er mit den Vorarbeiten für ein eigenes Marionettentheater und spielte während dieser zeit zunächst Handpuppenstücke in Dortmunder Volksschulen,
um sich existenziell abzusichern. Im Juli 1933 wurde Kastner Mitglied im Kampfbund für deutsche Kultur, Abteilung: Deutsches Puppenspiel und im August 1933
wurde ihm von Seiten des Kampfbundes bestätigt, das seine Aufführungen Fortsetzung guter alter Tradition auf dem Gebiet des Puppenspiels
im Sinne deutscher Volkskunst seien.
1934 erhielt er von der Stadt Dortmund einen kleinen Raum in der 2. Kampstraße zugewiesen.
Zunächst bemühte sich Kastner erfolglos um finanzielle Unterstützung durch die Stadt, erhielt jedoch immerhin einen größeren Probenraum in der Nikolaistraße.
Mit eine finanziellen Unterstützung des Marionettentheaters tat sich die Stadt weiterhin schwer (daran hat sich übrigens bis heute nichts geändert...).
Im Rahmen einer Spielzeugausstellung kam es zu mehreren Kaspertheater-Aufführungen, mit jeweils bis zu 200 Kindern als Zuschauer.
Außerdem erteilte Kastner für Schulen und Organisationen, die Interesse an einer Anleitung zum Spielen, Selbstbau von Puppen und Bau eines Kasperltheaters
hatten, Werkunterricht. Diese werbewirksame Initiative hatte sofern Erfolg, dass das Marionetten-Theater Dortmund, wie es von Kastner bezeichnet wurde,
nun eine feste Heimat in der Nikolaistraße 3 erhielt.
Am 3. April 1935 kam es dann endlich zu einem festen Vertragsabschluß der Stadt Dortmund mit Peter Anton Kastner, wobei die Bezeichnung
Marionetten-Theater Dortmund festgelegt wurde. Über den Inhalt des zu spielenden Repertoires gab es keinerlei Festlegungen.
Zur Eröffnungsveranstaltung am 17. Juni 1936 erschienen insgesamt ca. 250 Personen im alten Rathaus, die nach einem einführenden Vortrag durch den
Vorsitzenden der örtlichen NS-Kulturgemeinde, Dr. Marquart, das Bühnenstück Hoppentintel (Rumpelstilzchen) mit Beifall aufnahm.
Das Marionettenspiel war von Karl Linke geschrieben und von Käthe Burkhardt, vorher am Wuppertal-Elberfelder Marionetten-Theater, vertont worden.
Nach dem ersten Aufzug des Stückes, dem ein Grimm´sches Märchen zugrunde lag, stellte Peter Anton Kastner seine Mitarbeiter vor.
Die Puppen und Bühnenbilder hatte seine spätere zweite Frau Hertha Jessen hergestellt.
Als Puppenspielen und Sprecher agierten neben P.A. Kastner seine Tochter Aenne Kastner, Käthe Burkhardt, Leonhart Ivo, Ernst A. Rieden
und Walter Westermann. Für den Bühnenbau und die Führungstechnik der Marionetten zeichnete Kastner persönlich verantwortlich.
Das Marionetten-Theater Kastner wurde künftig von der NS-Kulturgemeinschaft stark empfohlen und trat in Dortmund und Umgebung erfolgreich auf.
Nach Aufführungen in Lütgendortmund, Aplerbeck und Mengende wurde man schon bald in anderen Städten auf dieses Kleinod im Puppenspielbereich
aufmerksam. Das Dortmunder Puppenspielensemble umfasste 7 bis 11 Personen, darunter Sprecher, Puppenführer und Techniker.
Im Gegensatz zum Handpuppenspiel bevorzugte man in Dortmund das filigrane Spiel mit ganzen Marionetten, die an kaum sichtbaren Fäden geführt wurden.
Für jedes Stück des Dortmunder Marionetten-Theaters wurden die Puppenköpfe in der eigenen Werkstatt geschnitzt;
die für das Märchenstück Hoppentintel hatte Hertha Jessen gefertigt.
Das Marionetten-Theater galt in den folgenden Jahren als eine der renommiertesten Bühnen dieses Genres in Deutschland und wurde 1937 zur Weltausstellung
nach Paris eingeladen. Zuvor hatte man im Mai 1937 auf Anregung des Reichspropagandaministeriums dem Reichsjugendführer Baldur von Schirach in
Düsseldorf vorgespielt, der von der Vorstellung begeistert war. Von 1937 bis 1939 hatte Kastner mit seiner Marionettenbühne große Erfolge zu verzeichnen.
Nach der internationalen Anerkennung von Kalif Storch in Paris wurde seine Bühne in Dortmund und Westfalen hoch gelobt, ohne das damit
eine stärkere finanzielle Konsolidierung einherging.
Die volkstümlichen, auf deutsche oder nordische Sagen beruhenden Bühnenstücke, 1937 Das singende Totenbein , 1939 Lucinde und ihre Freier
(König Drosselbart) und 1939 Die kluge Bauerntochter wurden jeweils gut besucht und in der Presse positiv rezensiert.
In der Spielzeit 1938/1939 gab das Marionetten-Theater Dortmund 500 Vorstellungen, die von insgesamt 150.000 Besuchern mit Begeisterung
aufgenommen wurden. Das Theater zählte weiterhin zum festen Bestandteil des lokalen NS-Kulturprogramms.
Die Popularität des Kastner´schen Theaters wurde mit Kriegsausbruch auch vom NS-Rechspropagandaministeriums erkannt, so dass aus dem
Marionetten-Theater Dortmund ab 1940 die mobile Front-Marionettenbühne kastner-Dortmund wurde, die man im Rahmen der Wehrmachtsbetreuung
zunächst im Sauerland, aber schon kurz darauf in Polen, Frankreich, Belgien, Norwegen, Lettland
und Russland einsetzte.
In etwa 300 nachgewiesenen Frontvorstellungen sollte den Soldaten der tiefere Sinn des Marionettenspiels transparent gemacht werden.
Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte das Marionetten-Theater Dortmund, weiterhin repräsentiert durch P.A. Kastner, sowie das Marionettentheater
seines ehemaligen Mitarbeiters Leonhart Ivo, wieder im Kulturbetrieb der Stadt Dortmund Fuß zu fassen.
Die Werkräume des Kastner´schen Theaters, zuletzt in der Nikolaistraße Nr. 3 untergebracht, waren bei dem großen Luftangriff am 6. Oktober 1944 zerstört worden.
Kastner wandte sich nun von Dortmund Wellinghofen aus mit der neuen Bezeichnung Künstlerische Puppenbühne an den Kulturausschuß und den
Oberbürgermeister, um finanzielle Unterstützung für den Neuaufbau seiner Marionettenbühne zu erhalten.
Finanzielle Ressourcen im schmal bemessen Kulturetat waren auch damals keine vorhanden, so dass es zunächst einige Monate dauerte,
bis erste städtische Mittel zur Unterstützung der Puppenbühne aufgebracht werden konnten. Kastner war gezwungen sich 1950/51 ausschließlich auf
geschlossene Vorstellungen für Schulen und kulturelle Vereinigungen zu verlegen.
1951 konnte er vorübergehend ein Theater im Ostwallmuseum einrichten, wo das Oberufener Krippenspiel als einzige Nachkriegsneuinzenierung am
2. Dezember 1951 uraufgeführt wurde. So gut dieses Stück auch gewesen sein mag, so war es dennoch im Hinblick auf einen Neuanfang eine tragische
Fehlspekulation, da es lediglich um die Weihnachtszeit gespielt werden konnte. Abgesehen vom geringen Besucherinteresse behinderte die verschlechterte
Wirtschaftslage und der Mangel an geheizten Räumen in der Winterzeit einen regelmäßigen Spielbetrieb, so dass die Existens des Marionettentheaters
buchstäblich wieder am seidenen Faden hing.
Den spärlichen Informationen der Jahre 1953 bis 1957 zufolge ist Peter Anton Kastner aber weiterhin als Handpuppenspieler mit seiner volkstümlichen Figur
des Kaspar Suppenlöffel aufgetreten, der insbesondere die Kinder begeisterte.
Kastner kehrte damit wieder zu seinen Anfängen zurück. Die feine, filigrane Kunst des Marionettenspiels schien zunächst keine Resonanz mehr zu finden.
Gemeinsam mit seiner Frau Hertha versuchte er jedoch immer wieder, an diese Tradition anzuknüpfen. Enttäuscht zog P.A. Kastner im Jahr 1958 von
Dortmund nach Itzehoe und gab lediglich noch einige Gastspiele in Nordrhein-Westfalen.
Falls Sie über weitere Informationen, Bildmaterial, Programmzettel oder Figuren des Marionetten-Theaters Dortmund von Peter Anton Kastner verfügen,
so melden Sie sich doch bitte bei uns.
Bilder & Text sind übernommen aus dem Ausstellungskatalog "8 Stunden sind kein Tag", weitere Bilder aus “Puppets and Puppetry”.
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