Märchen haben die Menschen zu allen Zeiten begeistert und verzaubert. Einer, der
Figuren wie Rotkäppchen, Rumpelstilzchen oder den kleinen Prinzen zum Leben
erweckt, war Heinz-Peter Schmälter aus Brambauer. Mit seiner 8 x 3,80 x 4 Meter großen
und 12 Zentner schweren Reisebühne war der passionierte Marionettenspieler seit rund
drei Jahrzehnten in ganz Europa und sogar in Japan unterwegs.
Wenn sich der Vorhang hebt, entführt das holzgeschnitzte Ensemble die Zuschauer in eine
Wunderwelt der Fantasie. Hier werden Prinzessinnen von Drachen geraubt, können Tiere
sprechen und Menschen fliegen, werden Hexen, Gespenster, Teufel, Feen und andere Wesen
aus dem Märchenland lebendig und greifbar. »Genau das ist der Vorteil des
Marionettentheaters gegenüber dem ›Menschentheater‹: Das man Fabelwesen sehr
wahrhaftig auf die Bühne bringen und utopische Zusammenhänge zeigen kann«, erklärt der
Puppenspieler.
Seine Berufung fand er über Umwege: »Meine Eltern wollten, dass ich was ›Vernünftiges‹
werde, daher habe ich zunächst ein Betriebswirtschaftsstudium sowie eine Ausbildung zum
Groß- und Außenhandelskaufmann absolviert.« Doch sein Herz gehörte schon immer den
Puppen. »Ich war ein großer Fan der Augsburger Puppenkiste und bin auch selbst mit
Marionetten aufgetreten, z.B. in der Schule auf Weihnachtsfeiern oder im
Geschichtsunterricht.« Später machte er dieses Hobby dann zum Beruf, volontierte dafür an
verschiedenen Theatern, studierte Sprecherziehung in Essen und belegte, um seine Figuren
selbst bauen zu können, Bildhauerkurse an der Universität in Stuttgart.
Für jede Inszenierung werden neue Marionetten erschaffen. »Der Müller aus
›Rumpelstilzchen‹ spielt nur den Müller, danach wird er ausgemustert und genießt seinen
›Ruhestand‹ zum Beispiel im Museum.« Einige der selbst geschnitzten Spielfiguren – rund
1800 Charaktere hat seine Werkstatt bis heute hervorgebracht – sind auch auf fremden
Theaterbühnen oder in Fernsehproduktionen zu Hause. Das Repertoire von Heinz-Peter
Schmälter ist vielfältig und reicht von klassischen Märchen der Gebrüder Grimm wie ›Hänsel
und Gretel‹ oder ›der Teufel mit den drei goldenen Haaren‹ über (moderne) Märchen für
Erwachsene (z.B. ›der kleine Prinz‹, ›Gevatter Tod‹) und Opern wie die ›Entführung aus
Serail‹ nach Mozart bis hin zum alten deutschen Puppenspiel vom Doktor Faust, dem
meistgespielten Stück der Welt, welches schon Goethe zu seinem ›Faust‹ inspirierte.
»Ich werde oft nach meiner Lieblingspuppe bzw. nach meinem Lieblingsstück gefragt, aber
ich habe keins, denn ich will alle Rollen gleich gut spielen!« Bis zu 300 Mal im Jahr zog
Heinz-Peter Schmälter hinter den Kulissen die Fäden, hauchte den hölzernen Wesen auf der
Bühne Leben ein. »Ich erschaffe mir die Welt, wie ich sie mir vorstelle«, beschrieb er seine
Faszination für das Puppenspiel. »Egal ob es um die Beleuchtung, um Farben oder um
Figuren geht, ich muss auf niemanden Rücksicht nehmen, bin Darsteller und Regisseur in
einem. Auf den kleinen Brettern bin ich sozusagen der liebe Gott.«
Nach einer längeren Pause aus gesundheitlichen Gründen sollte es ab Dezember 2010 wieder
langsam losgehen. »Ich werde es einfach nicht leid. Innerlich muss man dafür
schon irgendwie Kind bleiben. Doch der große Unterschied zwischen meinem
Marionettentheater und einem Kinderspiel ist die Wiederholbarkeit: Selbst die tausendste
Vorstellung ist so perfekt wie die erste.«
Im Februar 2011 spielten wir (Udo Wodrich & Holger Schneider) ein letztes Mal mit
H.-P. Schmälter gemeinsam beim “Maskenball” im Hilpert-Theater in Lünen.
Unser lieber Freund Heinz-Peter Schmälter starb am 17. Juni 2011, im Alter von 52 Jahren.
Text entnommen aus: Stadt-Magazin Lünen / Bilder: Privatarchiv H.-P. Schmälter & Udo Wodrich
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